
Mobbing am Arbeitsplatz
Gibt es eine Alternative zur sog. Mobbingklage?
Mobbing ist ein ernstzunehmendes Problem, das nicht nur die Betroffenen stark belastet, sondern auch dem Unternehmen schadet (Produktivitäts- und Motivationsverlust, Kosten durch erhöhte Abwesenheitszeiten, Unzufriedenheit im Team, Weggang von Mitarbeitern*, Know-how-Verlust etc.). Betroffene wählen häufig den Weg einer sog. Mobbingklage. Eine alternative Lösungsmethode könnte die Mediation sein, die sowohl der betroffene Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber (im Rahmen seiner Fürsorgepflicht) anregen kann durchzuführen.
*soweit in diesem Beitrag nur die männliche Form genannt wird, ist die weibliche / diverse Form zugleich miterfasst.
1. Der herkömmliche Weg: Die sog. Mobbingklage
LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 11.10.2023 - 6 Sa 48/23
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Zahlung von Schmerzensgeld. Die Klägerin arbeitete als Zahnarzthelferin in der Praxis des Beklagten, der das Arbeitsverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 24. November 2021 kündigte (die Klägerin unterlag mit ihrer Kündigungsschutzklage in drei Instanzen). Im Sommer 2022 machte die Klägerin gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 40.000,00 € geltend. Sie trägt in der Klageschrift vor, sie sei an ihrem Arbeitsplatz in ihrer Gesundheit und ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Die Rechtsgutverletzungen seien vor allem von ihren Kolleginnen ausgegangen. Die Kolleginnen hätten sie u.a. wegen ihrer Herkunft sowie ihres Glaubens gehänselt und lächerlich gemacht. Zudem hätten sie bewusst und lautstark falsche Behauptungen über ihr angeblich unterlaufene Fehler verbreitet, Fehler der Kolleginnen seien ihr in die Schuhe geschoben worden. Schließlich sei sie von den Kolleginnen schikaniert worden, weil sie sich gegen eine Corona-Impfung entschieden habe. Der beklagte Arbeitgeber habe nichts gegen das Verhalten der Kolleginnen unternommen. Die Klägerin trägt vor, aufgrund der Situation am Arbeitsplatz sei sie krank geworden (Magenschmerzen, Gedankenkreisen, Depression u.a.) und legte ärztliche Atteste vor, die auf eine Mobbingsituation am Arbeitsplatz hindeuten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Das LAG hat entschieden, dass die von der Klägerin vorgetragenen Vorkommnisse nicht geeignet sind, Schmerzensgeldansprüche auszulösen. Systematische Mobbing-Handlungen von ausreichender Eingriffsqualität seien nicht erkennbar. Anders als die Klägerin meint, sei eine Pflichtverletzung nicht durch die Vorlage der ärztlichen Atteste bewiesen. Selbst wenn ein Arzt einen "mobbingtypischen“ Befund feststelle, sei damit nicht bewiesen, dass die behaupteten Mobbing-Handlungen kausal für diesen medizinischen Befund waren (vgl. auch BAG, Urteil vom 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 – Rn. 93). Erst recht beweist ein Attest nicht, dass die behaupteten Mobbing-Handlungen tatsächlich stattgefunden haben. Das Gericht konnte darüber hinaus weder einen Verstoß des Beklagten gegen Schutz- oder Fürsorgepflichten feststellen, noch müsse er sich das Verhalten der Kolleginnen der Klägerin zurechnen lassen, da er davon keine Kenntnis hatte. Zwar behauptet die Klägerin, der Beklagte sei über die Mobbingvorfälle informiert gewesen, jedoch war ihr Vortrag dem Gericht zu pauschal. Sie hat nicht hinreichend detailliert und zeitlich eingeordnet dargelegt, auf welche konkreten Verhaltensweisen ihrer Kolleginnen sie den Beklagten hingewiesen haben will.
2. Mediation als Alternative zur sog. Mobbingklage?
Viele sog. Mobbingklagen werden mit ähnlicher Begründung wie der des LAG Schleswig-Holsteins abgewiesen: Der Klagevortrag sei zu pauschal. Regelmäßig gelingt es Betroffenen weder die konkreten Mobbing-Handlungen detailliert und unter zeitlicher Einordnung noch die Kausalität zwischen entsprechenden Handlungen und dem ärztlichen Befund nachzuweisen. Insbesondere kann ein ärztliches Attest, das bescheinigt, die Beschwerden seien auf das Mobbingverhalten am Arbeitsplatz zurückzuführen, nicht als Beweismittel dafür dienen, dass Mobbing-Handlungen tatsächlich stattgefunden haben - schließlich war der Arzt nicht dabei. Doch auch unabhängig vom Ausgang eines Klageverfahrens, also auch wenn die Klagepartei obsiegt, ist der Rechtsstreit zum Prozessende zwar formal entschieden, der Konflikt im Betrieb aber längst noch nicht gelöst. Dies ist besonders problematisch, wenn - anders als im obigen Fall - das Arbeitsverhältnis fortbestehen soll, da sich an der Situation im Betrieb nichts geändert hat; im Gegenteil durch das Gerichtsverfahren kann sich die Situation noch verschärft haben.
Die Mediation zielt im Gegensatz zu einem Gerichtserfahren darauf ab, den Konflikt durch eine Einigung zu lösen, mit der sämtliche Beteiligten zufrieden sind. Sie kann insbesondere dann die bessere Lösungsmethode sein, wenn die (Arbeits-)Beziehung der betroffenen Konfliktparteien fortbestehen soll und der Konflikt dauerhaft sowie nachhaltig gelöst werden soll. Dies wird gefördert, indem trotz des Konflikts in der Mediation eine wertschätzende und konstruktive Kommunikation erfolgt, was zum Erhalt bzw. der Wiederherstellung der Beziehung beiträgt.
Überblick über Charakteristiken einer gerichtlichen Mobbingklage und einer Mediation:
Mobbingklage
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Ziel des Gerichtsverfahrens ist es, den Rechtsstreit zu beenden; es geht nicht darum, den Konflikt zu lösen.
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Darlegungs- und Beweislast: Berücksichtigung findet nur der rechtsrelevante Streitstoff. Die klagende Partei muss darlegen und beweisen, dass eine Mobbinghandlung tatsächlich stattgefunden hat, die zu einer Rechtsgutverletzung geführt hat. Exkurs: Die Vorlage eines ärztliches Attests, aus dem hervorgeht, die gesundheitlichen Beschwerden seien auf eine Mobbinghandlung zurückzuführen, reicht nicht aus, vgl. obige Entscheidung.
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Sachebene: Der Rechtsstreit spielt sich auf der Sachebene ab.
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Entscheidung eines Dritten: Der am Konflikt unbeteiligte Richter entscheidet den Rechtsstreit verbindlich.
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Öffentlich: Prozesse vor den Arbeitsgerichten sind in der Regel öffentlich.
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I.d.R. keine Verbesserung der Beziehung: Aufgrund des konfrontativen Wesens des Gerichtsverfahrens werden Sachverhalte oftmals so scharf zugespitzt wie möglich formuliert, was sich auf die Wiederherstellung einer guten Beziehung zwischen den Parteien eher nachteilig auswirkt.
Mediation
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Ziel der Mediation ist es, den Konflikt dauerhaft zu lösen.
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Berücksichtigung des gesamten Konfliktstoffs: In der Mediation spielen rechtliche Anspruchsgrundlagen, Beweismittel oder juristisches Fachvokabular keine Rolle. Es handelt sich um ein autonomes von den Parteien selbst bestimmtes Verfahren
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Bearbeitung des Konfliktkerns: In der Mediation findet die Konfliktbearbeitung nicht nur auf der an der Oberfläche liegenden Sachebene statt, sondern auch auf der Beziehungsebene.
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Eigenverantwortlich Lösungen erschaffen: Die Konfliktparteien entscheiden selbst, was es braucht, um ihren Konflikt zu lösen. Dies macht die Lösung nachhaltiger. Die gemeinsam gefundene Einigung ersetzt den Urteilsspruch des am Konflikt unbeteiligten Richters.
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Vertraulich: Die Mediation ist ein vertraulicher Prozess.
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Verbesserung der Beziehung: Die Mediation zielt darauf ab, den Dialog zwischen den Konfliktparteien in positiver Weise wiederherzustellen und zu fördern.
Verfasserin dieses Beitrags: Janina Aue, Rechtsanwältin & Mediatorin
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