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Annahmeverzugslohn nach einer unwirksamen Kündigung

LAG-Entscheidung weicht von BAG-Rechtsprechung ab

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.09.2024 (Az.: 4 Sa 10/24) entschieden, dass eine Anrechnung des böswillig unterlassenen Verdienstes gem. § 11 Nr. 2 KSchG nur dann erfolgt, wenn dem Arbeitnehmer* die anderweitige Beschäftigung bekannt war bzw. bekannt gemacht wurde. Mit dieser Entscheidung weicht das LAG von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 7. Februar 2024 (Az.: 5 AZR 177/23) ab. Aus diesem Grund wurde die Revision für die Beklagte zugelassen und ist bereits unter dem Az.: 5 AZR 273/24 anhängig. 

*soweit in diesem Beitrag nur die männliche Form genannt wird, ist die weibliche / diverse Form zugleich miterfasst.

LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.09.2024 - 4 Sa 10/24

Sachverhalt

Die beklagte Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich mit Auslauffrist zum 30. Juni 2021. Die Kündigungsschutzklage des Klägers war bis in die Berufungsinstanz erfolgreich. 

 

Die Parteien streiten noch um Annahmeverzugslohnansprüche im Zeitraum von Juli 2021 bis August 2022, währenddessen der Kläger Arbeitslosengeld bezogen hatte. Der Kläger erhielt während des gesamten Zeitraums seiner Arbeitslosigkeit kein Vermittlungsangebot von der Agentur für Arbeit. Er hatte gegenüber der Agentur für Arbeit erklärt, auf seinen Arbeitsplatz bei der Beklagten zurückkehren zu wollen und unternahm selbst auch keine eigenständigen Bemühungen, einen anderweitigen Arbeitsplatz zu finden. Der Kläger trug vor, es sei nicht notwendig gewesen, sich um eine andere Stelle zu bemühen, da er bei der Beklagten habe weiter arbeiten wollen und diese ihn nach dem arbeitsrechtlichen Urteil hätte beschäftigen müssen.

 

Die Beklagte argumentierte, der Kläger habe durch seine fehlenden Bemühungen zur Jobsuche böswillig gehandelt. Angesichts der niedrigen Arbeitslosenquote und der zahlreichen offenen Stellen im Produktions- und Fertigungsbereich sei es wahrscheinlich gewesen, dass der Kläger bei entsprechenden Bemühungen eine andere Beschäftigung hätte finden können. 

 

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung des Annahmeverzugslohns. Auch die Berufung erkannte den Anspruch des Klägers auf Annahmeverzugslohn an. Die Revision ist bereits unter dem Aktenzeichen 5 AZR 273/24 anhängig.

Entscheidungsgründe

Das LAG entschied, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn aus §§ 611a Abs. 2, 615 S. 1 BGB zustehe.  Eine Anrechnung eines möglichen Verdienstes gemäß § 11 Nr. 2 KSchG sei nicht erfolgt, da eine Kausalität zwischen dem böswilligen Unterlassen von Erwerbsbemühungen und einem entgangenen anderweitigen Verdienst nicht festgestellt werden konnte. Eine solche Kausalität könne nur angenommen werden, wenn dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung bekannt gewesen sei oder bekannt gemacht wurde. Die Beklagte hatte jedoch erst nach Ende des Verzugszeitraums auf konkrete offene Stellen hingewiesen und konnte nicht nachweisen, dass dem Kläger die Beschäftigungsmöglichkeiten bekannt gewesen waren. Der allgemeine Hinweis der Beklagten auf eine positive Arbeitsmarktsituation und niedrige Arbeitslosenquote reichte nicht aus.

Fazit & Praxistipp

Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil, dass nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung entweder eine Prozessbeschäftigung angeboten oder der Arbeitnehmer auf konkrete Stellenangebote bereits zu Beginn des Annahmezugszeitraums und nicht erst nach dessen Ende hingewiesen werden sollte.

 

Die Entscheidung des BAG bleibt abzuwarten.

Weitere besprochene Urteile zum Annahmeverzugslohn auf meinem Blog: Pflicht zur Job-Suche während Kündigungsfrist?

Verfasserin dieses Beitrags: Janina Aue, Rechtsanwältin & Mediatorin

Kontaktieren Sie mich gern, damit wir besprechen können, wie wir zusammenarbeiten können.

Foto von Frau Rechtsanwältin Aue
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